Kapitel 1: Die Nacht des Krampus
Es war der 5. Dezember – der Tag, an dem die Kinder in der kleinen Stadt sich in ihren Häusern verbarrikadierten, wenn die Nacht hereinbrach. Der Advent hatte seinen kalten Hauch bereits über das Land gelegt, und der Schnee fiel unaufhörlich. In jeder Ecke, in jedem Winkel, versteckte sich ein schattiger Hauch von Unbehagen. Doch was die Kinder nicht wussten, was sie niemals hören würden, war die Wahrheit über die Nacht, die auf sie zukam.
Anna, eine junge Frau, kehrte nach vielen Jahren in ihre Heimatstadt zurück. Ihr Herz war schwer, als sie die vertrauten Straßen entlangging. Der Verlust ihrer Eltern, die in einem schrecklichen Autounfall gestorben waren, hatte sie aus der Stadt vertrieben. Doch heute war sie zurückgekehrt, zurück zu den Erinnerungen, die sie so lange versucht hatte zu verdrängen. Ihre Schritte hallten über den vereisten Asphalt, als sie das alte Haus ihrer Familie erreichte, das von einer dicken Schneeschicht bedeckt war.
Die Fenster waren erleuchtet, und sie hörte Stimmen aus dem Inneren. Es war eine seltsame Art von Wärme, die von innen drang, doch sie hatte keine Lust, hineinzugehen. Stattdessen erinnerte sie sich an die Geschichten, die ihr als Kind erzählt worden waren. Geschichten, die sich um den „Krampus“ drehten – ein unheimliches Wesen, das den armen, ungezogenen Kindern, die nicht brav waren, in der Nacht des 5. Dezembers nachstellte.
In ihrer Kindheit hatte sie nie wirklich an die Geschichten geglaubt. Die alten Frauen in der Stadt erzählten von einem bösartigen Wesen mit dunklen, leuchtenden Augen und einer hornartigen Mütze, das Kinder in den kalten Winternächten jagte. Doch jetzt, Jahre später, spürte sie einen eisigen Schauer, der über ihren Rücken zog, als sie die Schatten in den Bäumen hinter ihrem Haus sah.
Plötzlich, in der Dämmerung, ertönte ein seltsames Geräusch, das von den Wäldern hinter ihrem Haus kam. Es war kein Wind – es war das unheimliche Rascheln von etwas anderem, etwas Fremdem. Die Bäume schienen sich zu bewegen, als würden sie sich für einen Moment von der Dunkelheit befreien, um etwas zu verbergen. Ihr Puls beschleunigte sich, und ein kaltes Gefühl der Angst überkam sie. War es der Krampus? War es der Schatten, der ihre Kindheit immer verfolgt hatte?
Im Schein der Straßenlaternen bemerkte Anna plötzlich eine Bewegung – eine dunkle, schattige Gestalt, die sich langsam zwischen den Bäumen hindurchschlich. Es war kein Mensch, das war sicher. Das Wesen war größer, breiter und schleppte sich mit einer seltsamen, kriechenden Bewegung fort. Der kalte Nebel, der über den Boden kroch, schien das Wesen zu umhüllen, es war, als ob der Nebel selbst mit dem Wesen verschmolz.
Anna trat einen Schritt zurück und fühlte, wie sich ihr Atem in der kalten Luft verdichtete. Ihre Knie zitterten, und für einen Moment konnte sie nichts tun, als die Dunkelheit anstarren, die sich langsam weiter in ihre Richtung bewegte. Das gruselige Geräusch von schweren, knorrigen Klauen auf dem Boden war kaum zu hören, doch es schien sich immer näher zu bewegen.
Und dann hörte sie es – ein tiefes, heiseres Lachen, das aus der Dunkelheit emporstieg, begleitet von einem kehligeren, lauteren Geräusch, das klang, als würde jemand mit groben Zähnen knirschen. Ihr Herzschlag setzte einen Moment aus. Der Krampus war real. In diesem Moment wusste sie es mit einer Klarheit, die so erschreckend war, dass es sie fast umwarf.
Die Augen des Wesens leuchteten in einem unheilvollen Gelb, fast als ob sie von innen heraus glühten. Und dann, als das Wesen sie endlich entdeckte, weiteten sich diese Augen zu einem unnatürlichen Maß, als ob der Krampus sie nicht nur sehen, sondern auch in ihr Innerstes blicken konnte. Anna spürte, wie ihre gesamte Existenz in diesem Blick verging. Ein eisiges Grauen durchbrach ihre Gedanken, während sie in das Abgrundtief dieser Augen starrte.
„Du hast dich also erinnert…“ flüsterte die dunkle Gestalt, und Anna fühlte den kalten Hauch dieses Flüsterns wie einen eisigen Wind, der über ihre Haut strich.
Es war der Beginn einer Nacht, die Anna für immer verfolgen würde. Ein unheimliches Lächeln erschien auf dem verzerrten Gesicht des Krampus, und in diesem Moment wusste Anna, dass sie in der Falle saß. Denn in dieser Nacht war sie mehr als nur ein Opfer, sie war ein Teil eines uralten Spiels, das nicht nur in den Erzählungen der Stadt, sondern auch in ihren eigenen Kindheitsträumen lebte.
Kapitel 2: Der Ruf der Dunkelheit
Anna konnte ihren Blick nicht von den gelben, glühenden Augen des Krampus abwenden. Sie fühlte sich, als würde ihr Geist in einen Abgrund gesogen, als ob das Wesen mit jedem Augenaufschlag ihre tiefsten Ängste und Geheimnisse entblößte. Der Schnee unter ihren Füßen schien plötzlich laut zu werden, als er von der Kälte zerbrach, und der Wind nahm zu, als würde er die Szene um sie herum zerreißen.
„Du kennst die Geschichten, Anna“, flüsterte der Krampus mit einer Stimme, die wie das Kratzen von Nägeln auf Glas klang. „Aber sie sind nicht nur Geschichten. Sie sind Warnungen. Und du hast sie ignoriert.“
Sie konnte kaum atmen. Ihre Beine waren wie gelähmt, und der kalte Wind riss an ihrer Haut. Der Krampus bewegte sich auf sie zu, ein monströses Wesen, das in der Dunkelheit wie ein Schatten war, dessen Körper mit schwarzen, knotigen Ästen überzogen war, als wäre er Teil des Waldes selbst. Das Leder seiner Kleidung war zerfetzt, und aus den weiten Ritzen blitzten feine, silberne Ketten, die mit seltsamen Symbolen verziert waren. Diese Ketten schienen von der Dunkelheit selbst durchzogen zu sein.
„Ich dachte, du würdest mich nicht wiedersehen“, flüsterte sie, ihre Stimme klang wie das Knirschen von Eis. „Ich dachte, du wärst nur ein Mythos, ein Märchen.“
„Ich bin kein Märchen, Anna. Und du hast deine Schulden noch immer nicht beglichen“, antwortete er, sein Gesicht verzerrt von einem grinsenden, grausamen Lächeln. „Du und deine Familie – ihr seid mit mir verbunden. Ihr könnt nicht entkommen.“
Angst kroch langsam in ihre Glieder, während der Krampus immer näher kam. Sie konnte seinen kalten Atem spüren, der wie die eisige Umarmung des Todes war. Mit jedem Schritt des Krampus fühlte sie sich mehr und mehr in die Dunkelheit gezogen, als ob der Wald sie zu verschlingen versuchte.
„Was willst du von mir?“, fragte Anna, ihre Stimme zitterte vor Entsetzen. „Ich habe keine Schuld. Ich habe nie etwas getan!“
„Oh, du hast sehr wohl eine Schuld, Anna. Eine, die schon lange fällig ist. Deine Familie, deine Ahnen… sie haben etwas getan. Etwas, das sie nicht hätten tun dürfen. Und nun ist es deine Zeit, dafür zu bezahlen.“
Der Krampus griff in seine zerrissenen Taschen und zog einen alten, verrotteten Sack hervor. Anna konnte den fauligen Geruch schon in der Luft riechen, bevor er den Sack öffnete. Aus dem Inneren kam ein grauenhaftes Krächzen, und als der Krampus den Sack weit aufriss, entglitt ihm ein schreckliches Geräusch, das Anna sofort erschaudern ließ.
Plötzlich wurde sie von einem unsichtbaren Band gezogen. Ihre Füße hoben sich vom Boden, und sie fand sich auf einem einsamen Pfad durch den dunklen Wald wieder, der von Nebel und Dämmerung umhüllt war. Der Krampus schwebte direkt hinter ihr, seine Schritte lautlos, und mit jedem Schritt drang eine tiefere Kälte in ihre Knochen.
„Wo bringst du mich hin?“, schrie sie, als sich ihre Beine wie aus Stahl anfühlten. Doch der Krampus antwortete nicht, sondern ließ sie weiter durch den Wald schleifen. Ihre Sicht verschwamm, der Nebel war so dicht, dass sie kaum ihre eigene Hand vor Augen sehen konnte. Der kalte Wind heulte, und der Klang des Krampus‘ Hufen hallte durch die Bäume.
„Du wirst es verstehen, Anna“, flüsterte er schließlich. „Wenn du dort ankommst…“
Er ließ den Satz unvollständig in der Luft hängen, als er sie immer tiefer in den düsteren Wald führte. Anna hatte das Gefühl, als würde der Wald selbst sie verschlingen. Es war, als würde der Boden unter ihren Füßen in den Abgrund sinken.
In der Ferne konnte sie etwas Dunkles und Unheimliches sehen – ein altes, verfallenes Gebäude, das aussah wie eine verlassene Kirche. Es war von undurchdringlicher Dunkelheit umgeben, und Anna konnte den kalten, lähmenden Hauch der Verzweiflung in der Luft spüren. Ihre Panik wuchs ins Unermessliche, als der Krampus sie genau dorthin führte.
„Was ist das für ein Ort?“, fragte sie, als die Tür des verfallenen Gebäudes sich mit einem geringen Quietschen öffnete.
Der Krampus antwortete nicht. Stattdessen trat er einen Schritt zur Seite und ließ Anna vor dem dunklen Eingang stehen. Der Geruch von Moder und Verfall wehte ihr entgegen, als sie zitternd über die Schwelle trat.
„Du wirst sehen“, sagte der Krampus abschließend, bevor er in der Dunkelheit verschwand. „Du wirst alle Antworten finden, Anna. Aber nur, wenn du bereit bist, die Wahrheit zu sehen.“
Anna stand nun alleine vor der düsteren Tür. Ihre Hände zitterten, und sie spürte, wie ihre Angst sie von innen heraus auffraß. Sie wollte weglaufen, doch ihre Füße fühlten sich wie festgefroren an. Der Krampus hatte sie in die Falle gelockt, und nun gab es keinen Ausweg mehr.
Mit einem letzten Blick auf die schreckliche Dunkelheit, die sie erwartete, trat Anna ein.
Kapitel 3: Der unaufhaltsame Schatten
Die Dunkelheit hatte sich nun über das Dorf gelegt, und mit ihr eine unheimliche Stille, die die Luft schwer und drückend machte. Kein Wind bewegte sich mehr, kein Laut durchbrach die Stille. Selbst die Katzen, die immer die Straßen bevölkerten, hatten sich verkrochen. Eine unheilvolle Ruhe lag in der Luft.
Lea konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Der Albtraum, den sie in der Stube des Dorfkrämers gesehen hatte, ließ sie nicht los. Die Kreatur mit den hässlichen Augen, die in der Ecke des Raumes gestanden hatte, schien nicht nur ein Teil ihres Traums zu sein. Sie fühlte, dass sie es jetzt, an diesem Ort, tatsächlich erlebte.
Der Krampus.
Sie hatte ihn für eine urban legend gehalten. Eine Geschichte, die in den verschlafenen Dörfern erzählt wurde, um Kinder zu erschrecken. Aber jetzt war alles anders. Etwas war in der Nacht erwacht. Etwas, das sie mit einer unheimlichen Kraft in ihren Bann zog.
Sie schritt langsam durch den dunklen Gang der alten Hütte, die nach Holz und Moder roch. Die Wände, so alt wie das Haus selbst, ächzten und knarrten, als wären sie lebendig, als ob sie sich gegen die Bedrohung in ihrem Inneren wehrten. Lea blieb stehen und lauschte. Sie konnte das Flüstern hören. Es war kaum mehr als ein Hauch, aber es war genug, um ihr Herz schneller schlagen zu lassen.
„Lea…“
Der Name, der durch die Dunkelheit hallte, war kaum zu fassen. Die Stimme war tief und rau, wie das Knarren eines alten Baumes im Wind. Es war kein Wind. Es war der Krampus. Er war hier.
Sie trat einen Schritt nach vorn, ihre Füße wie von unsichtbaren Fesseln gehalten, und spürte das Gewicht der Dunkelheit, die sie umfing. Ihre Augen suchten verzweifelt nach Licht. Nichts, außer der Schatten der Kreatur, der sich wie ein Albtraum in die Ecken der Hütte schlich.
„Lea… Du hast mich rufen lassen. Jetzt musst du zahlen.“
Die Worte waren wie Gift, die in ihr Bewusstsein drangen. Der Krampus war kein Märchen. Er war real. Und er hatte sie gefunden.
Die Zimmertür knarrte, als sich ein kalter Luftzug durch die Ritzen drückte. Es war, als würde das Haus selbst atmen. Als ob es den Krampus willkommen hieß. Die Wände schienen sich zu dehnen, und Lea fühlte, wie ihre Eingeweide sich in einem eisigen Griff zusammenzogen. Etwas kroch, wie ein dunkler Schatten, durch die Spalten und Ritzen der alten Holzbretter.
Plötzlich spürte sie den krampfartigen Druck in ihrer Brust. Der Raum schien enger zu werden, ihre Sicht verschwamm. Doch dann, mit einem einzigen Blick, fand ihr Auge das, was sie befürchtet hatte.
Im Halbdunkel war er da – der Krampus, mit seinen riesigen, vernarbten Augen, die sie kalt und leer anstarrten. Ein knochiger Arm, so abgemagert, dass er fast durchsichtig wirkte, zeigte auf sie. Das Monstrum war so nah, dass sie seinen fauligen Atem spüren konnte, der sie mit jeder Sekunde mehr erstickte.
„Ich… ich habe…“ Lea konnte kaum sprechen, so sehr war ihre Stimme von Angst und Schrecken belegt. Der Krampus zeigte keine Regung. Seine Augen, die sich wie brennende Kohlen glühten, schienen sie zu durchbohren.
„Du hast das Tor geöffnet“, sagte der Krampus mit einer Stimme, die so tief und rau war, dass sie in ihren Knochen pochte. „Nun gehört deine Seele mir.“
Lea wollte schreien, doch ihre Lippen verweigerten den Dienst. Sie wollte fliehen, doch ihre Beine waren wie gelähmt. Der Krampus näherte sich, seine riesigen Hörner glänzten im schwachen Schein des Mondlichts, das durch das Fenster schimmerte. Der Raum war von einer kalten Aura durchzogen, die Lea in ihrem Innersten erfror.
„Komm, Lea“, zischte er. „Die Reise hat gerade erst begonnen…“
Mit diesen Worten erhob sich der Krampus in voller Größe und hüllte sie in einen Schatten, der so schwarz war, dass er alle Farben verschlang. Lea konnte nichts mehr hören, nichts mehr sehen. Sie war in den Tiefen der Dunkelheit verschwunden – und der Krampus folgte ihr, bereit, das letzte Stück ihrer Seele zu fordern.
Kapitel 4: Der Preis der Angst
Lea hatte das Gefühl, als wäre sie in einem Albtraum gefangen, aus dem es kein Erwachen gab. Ihre Glieder fühlten sich taub an, als wäre sie in eine undurchdringliche Dunkelheit gehüllt, die sie zu erdrücken versuchte. Die Schatten, die sich um sie herum sammelten, schienen lebendig zu sein, und der kalte, faulige Atem des Krampus drang durch ihre Nase, schien ihre Lungen zu ersticken.
Doch als sie ihren Blick umherschweifen ließ, bemerkte sie etwas. Eine seltsame, beinahe unmerkliche Bewegung im Raum. Die Dunkelheit war nicht völlig still. Da war etwas anderes, etwas, das sich durch die Schatten hindurchschlängelte.
Ihr Herz schlug wild, als sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Was war das? Etwas hatte sich in der Dunkelheit versteckt, wartete. Ihre Augen weiteten sich, als sie eine Silhouette entdeckte, die sich aus dem Nichts zu bilden schien. Es war ein weiterer Schatten, der langsam, fast zögerlich, den Raum durchbrach.
„Du kannst nicht entkommen“, flüsterte der Krampus, und seine Stimme klang wie das Rauschen von verwelktem Laub. „Du bist verloren.“
Doch während er sprach, schien der andere Schatten, der sich im Raum regte, näher zu kommen. Lea starrte, ihre Angst schien fast übermächtig, doch in dieser Sekunde nahm sie all ihre Kraft zusammen. Sie schaffte es, einen Atemzug zu tun und den Blick von dem Krampus zu lösen, um den anderen Schatten zu beobachten.
Es war mehr als ein Schatten. Es war eine Figur – eine gestaltlose Gestalt, die sich durch die Dunkelheit bewegte. Mit jedem Schritt schien sie die Dunkelheit ein Stück mehr zu verdrängen, doch anstatt dass der Raum heller wurde, verdunkelte sich alles nur noch tiefer. Der Schatten kroch mit einer unheimlichen Geschwindigkeit auf Lea zu, und je näher er kam, desto mehr konnte sie erkennen: Es war ein Skelett. Ein blutleeres, lebloses Knochengerüst, das sich ohne jegliche Eile bewegte.
Die Knochen knirschten, als es sich vorbeibewegte, und der Kälteschauer, der von ihm ausging, war so intensiv, dass er ihre Haut in Schock versetzte. Der Krampus schien dies zu bemerken, denn sein Blick verfärbte sich, als er die entstehende Gefahr registrierte. Doch der Schatten des Skeletts schien ihm keine Angst zu bereiten. Der Krampus war allmächtig – aber war er auch wehrlos gegen diese unsichtbare Macht?
Das Skelett kam immer näher und Lea konnte sich nicht bewegen. Ihr Blick war wie festgefroren, als der kalte Hauch des Skeletts sie durchzog. Sie konnte die Kälte förmlich in ihrem Inneren spüren, während das Skelett sich zu ihr bückte.
„Lass mich…“ wisperte Lea, ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch. Doch da war kein Mitgefühl im Blick des Skeletts, nur eine unendliche Leere.
„Du kannst nicht fliehen“, flüsterte es. „Deine Seele gehört ihm… und mir.“
Es war eine Falle. Ein grausames Spiel von Schatten und Geistern, in dem sie gefangen war. Doch jetzt, in diesem Moment der absoluten Dunkelheit, geschah etwas Unerwartetes. Etwas, das sie selbst nicht erklären konnte.
Ein Licht, schwach und flackernd, erschien am anderen Ende des Raumes, weit entfernt. Es war kaum mehr als ein Funken, ein verblasstes Leuchten, das die Dunkelheit zu durchdringen versuchte. Doch als Lea es erblickte, war es wie ein letzter Funken Hoffnung.
„Das Licht“, flüsterte sie, obwohl sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, zu hoffen. Doch etwas in ihr, tief verborgen, weigerte sich, aufzugeben. Sie kämpfte gegen die lähmende Angst an, die ihren Körper zu ersticken drohte, und streckte ihre Hand nach dem Licht aus. Das Skelett schien zu verharren, der Krampus jedoch, der sie nur mit einem kalten Blick beäugte, bewegte sich nicht. Es war, als ob sie eine unbewusste Entscheidung getroffen hatte.
„Lauf!“, schrie eine Stimme, die sie selbst nicht kannte. Doch in ihrem Inneren wusste sie, dass sie keine andere Wahl hatte. Der Krampus hatte sie gejagt, das Skelett hatte sie ergriffen – und jetzt war sie das Ziel eines mörderischen Spiels.
Lea drehte sich um und rannte auf das Licht zu, so schnell sie konnte. Doch der Raum war riesig, und die Dunkelheit schien sie wieder zurückzuziehen. Der Krampus begann sich zu bewegen, doch anstatt sie zu fangen, wie sie es erwartet hatte, ging er langsamer, fast bedächtig. Das Skelett war jedoch das wahre Übel. Es verfolgte sie in Windeseile, und die Luft um sie herum verdunkelte sich weiter, als sie dem Licht näher kam.
Die Schritte hallten in ihrem Kopf. Ihr Herz schlug in ihren Ohren. Der Krampus war dicht hinter ihr, das Skelett folgte, und Lea wusste: Sie musste entkommen – oder sie würde für immer in dieser Dunkelheit gefangen sein.
Epilog
Lea erreichte das Licht. Es war nicht das helle, reinigende Leuchten, das sie sich erhofft hatte, sondern vielmehr ein schimmerndes, geisterhaftes Glühen. Dennoch war es genug, um der Dunkelheit zu entkommen, die sie fast verzehrt hatte. Als sie durch das schwache Licht trat, spürte sie eine plötzliche Stille, die den Raum um sie herum füllte. Der Wind, der zuvor unaufhörlich durch den Raum gepustet war, verstummte. Alles war für einen Moment ruhig, fast friedlich.
Doch als sie aufblickte, fand sie sich nicht in einem sicheren Zufluchtsort, sondern in einem neuen Raum, der genauso düster und bedrückend war wie der letzte. Der Krampus und das Skelett waren verschwunden, aber das Gefühl der Gefahr, der Bedrohung, war immer noch da. Ihr Herz pochte wie wild in ihrer Brust. Sie hatte es geschafft, dem Moment zu entkommen, aber die Dunkelheit verfolgte sie weiter. Es gab keinen Ort, der wirklich sicher war.
Lea blickte sich um und entdeckte einen alten, verwitterten Spiegel in der Ecke des Raumes. Er war von Staub bedeckt und zeigte nur noch bruchstückhafte Reflexionen. Zögernd trat sie näher, ihr Spiegelbild war verzerrt und fremd. Doch als sie in den Spiegel blickte, veränderte sich das Bild vor ihren Augen.
Im Spiegel stand nicht mehr Lea, sondern die verzerrte, grinsende Fratze des Krampus. Ihre Atemluft beschlug die Glasscheibe und eine kalte Hand legte sich auf ihren Arm, als hätte jemand sie im Schatten berührt. Ihr Körper zog sich zusammen, sie drehte sich schnell um, doch es war niemand da.
Die Dunkelheit schien sich zu verflüchtigen, als ein leises, düsteres Lachen durch die Luft zog. Es war der Krampus, dessen Stimme sich in den Wänden verlor. „Du bist nicht frei, Lea. Du wirst nie frei sein.“
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch sie wusste, dass es keine Rettung mehr gab. Die Dunkelheit hatte sie ergriffen, der Krampus hatte sie in seine Fänge gelegt. Es war nicht das Ende – sondern nur der Anfang eines noch tieferen Falls in die Verzweiflung. Das unheimliche Lachen des Krampus hallte in ihren Ohren, während das Bild im Spiegel immer mehr von ihrem Gesicht verschlang.
Lea konnte nichts tun. Sie war gefangen – nicht in einem Raum, nicht in einem Schloss, sondern in einem Albtraum, aus dem es kein Erwachen gab.